2008
"Rendezvous de la Musique"
am
21.+22.März 2008 in Agdz
Das „Rendezvous“ beseelte
auch dieses Jahr die Teilnehmer und Besucher.
Es war mal wieder soweit. Das zweite Festival
mit deutscher und marokkanischer Beteiligung. Osterfreitag
und Samstag fand in Asslim und Agdz das zweite „Rendezvous
de la Musique“ statt. Es wurde zu einem noch größerem
Fest wie 2007. Wie schon berichtet, kamen mit TAU und
Theatron ToKosmo, zwei deutsche Gruppen mit nach Süd-
Marokko. Sie sollten etwas erleben was sie in dieser
Art vorher nie gesehen haben. Karfreitag wurde das „Rendezvous“ wie
schon im letzten Jahr privat im Arkadenhof der Kasbah
Asslim abgehalten. Der Arkadenhof ist ein idealer Platz
um sich so richtig in die Welt der Berber zu versetzen.
Wie 1001er Nacht. Die duftenden Orangenbäume, die
bunten Teppiche auf dem Boden, die stuckverzierten Säulen
und Bögen laden ein zum verweilen und zuhören.
Daneben die grandiose Silhouette der gewaltigen Lehmburg
von Caid Ali, die mit ihren knapp 18 Metern in den dunklen
Himmel wie ein drohender Finger zeigt.
Auch kamen die Woche vorher jeden Abend
eine Gruppe Musiker aus der Region und trugen ihr Programm
vor. Sie sehen das Fest als Sprungbrett um ihre Kunst
dem großen Publikum zu zeigen. Sie spielten bis
in die Nacht und hofften uns zu verzaubern.
Natürlich wollten sie die Besten sein und auf dem
Festival zu spielen. Also gaben sie auch ihr Bestes.
Letztendlich sollten zwei von ihnen mitmachen. So stieg
mit jedem Abend die Vorfreude auf das Großereignis.
Man spürte überall, das alle darauf warteten
und ich wurde immer wieder angesprochen, wann es denn
endlich beginne. Letztendlich hatten wir uns für
acht Vorträge entschieden die am Ende mit dem „Rendezvous“ ausklingen
sollten:
Das Programm:
• Auad aus Aboussas, einem Ort des Draatales hinter Tamnougalt.
• Tafilalet, eine Gruppe Melhoun- Musiker von Rissani aus dem Ziztal.
• Kinder Ahwach Gruppe vom letzten Jahr aus Asslim
• Ahwach Gruppe aus Agdz + Asslim
• Tau- Musik mit Thomas Kagermann, Urs Fuchs und Andrea Saphira Leonhardi,
Welt- und Volksmusik
• Eleonore, ägyptischer Bauchtanz, eine Teilnehmerin des LEHMEXPRESS
aus England
• Forum Aoutad pour la Culture et L’art aus Asslim, populäre
marokkanische Musik von jungen Musikern die traditionelle Musik mit der Modernen
verbinden wollen.
• Theatron ToKosmo, (griech. Theater für die Welt, Theater der Welt)
Eva Maria Kagermann/Otte, Tanz, Katharina Otte-Varolgil, Malerei und Thomas
Kagermann ,Klanginstallationen
• Rendezvous mit Tau + Tafilalet + Forum Aoutad
So sollte es dann geschehen. Der Aufbau
im Riad und die Organisation lief in diesem Jahr wie
seit Ewigkeiten gemacht. Alle hatten vom letzten Jahr
die wichtigen Dinge behalten und es ging reibungslos.
Bis auf die Kleinigkeiten. So wie im Leben, eben. Sidi
Ahmed fuhrwerkte mit den Teppichen umher, Alter schützt
vor Torheit nicht.
Die Melhoun- Gruppe vom letzten Jahr hatte
plötzlich einen Auftritt in Algier. Ersatz wurde
herbeigeholt, der aber auf der Straße zwischen
Rissani und Draa-Tal die Überschwemmungen des Unwetters
nicht überqueren konnte. Die aber die gesamte Anlage
dabei hatten, ohne die ja bekanntlich wenig geht. Wir
suchten dann vergeblich nach einem Ghettolaster. Doch
erreichten sie 20 Minuten vor Beginn ihr Domizil in Asslim.
Letztendlich kommt man dahin, das doch alles geht, zwar
nicht immer wie geplant, so doch aber anders. Ich lerne
dabei Ruhe zu bewaren, so wie die Marokkaner, und entdecke
das die Ruhe das Beste ist, was wir besitzen. Auch wurde
das Programm nach Gefühl geändert. Eben so,
das keiner einen Anstoß nehmen kann und es entstand
eine warme freundschaftliche Atmosphäre mit einer
diffizilen Spannung auf das Ereignis. Denn dies wollten
alle. Unbedingt und Mutwillig.
Dann war es da. Die Auad- Musiker betraten
den Riad. Die Flöten erinnerten an nie gehörtes,
nie erlebtes. Doch sprach das Herz sein Einverständnis
aus. Es erinnert sich an dies. Doch wo kam es her? Die
Trommeln trommelten. Zwölf Musiker und vier Säbeltänzer
verzaubern die Besucher. Trommeln den Rhythmus der Wüste,
beständig, immer wiederkehrend der selbige Rhythmus,
permanent. Wo soll das enden? Die Diff’s und Handtrommeln
trommeln den Rhythmus in die Seelen. Die Blicke schrauben
sich in den Himmel, sind verklärt und werden getragen
durch die Auad’s.
Dann kamen die Ahwach Kinder. Unglaublich
willig die Tradition zu erhalten. Aus wilder Seele begaben
sie sich in den Raum ihrer Ahnen. Ahwach ist die Musik
dieser Region. Jahrhunderte alt, mit voller Freude gespielt.
Aus tiefsten Herzen. Die Din- Dum trifft mitten hinein.
Die Narkus bombardiert den Kopf mit ihrem schrillen Schrei.
Die Taginsa macht das Übrige. Alles gerät in
Rhythmus und die Beine fangen an sich zu bewegen. Es
beginnt was alle wollen. Ahwach
Dann kamen die Herren des Ahwach. Die
Taginsa’s übernehmen alles was vorhanden ist
und zeigen den Weg zu den Ahnen. Tänzer umkreisen
die Musiker, klatschen, tänzelnd mit verzücktem
Lächeln. Wie aus einer anderen Welt. Die langen
weißen Gewänder zucken über den Leibern.
Die Füße schwebend über dem Boden. Rausch
durch die Klänge der Instrumente. Gesang erzählt
die Dinge. Die ich nicht verstehe, nie gehört, doch
vertraut. Die Hände schlagen, dreißig Männer,
einer singt die Geschichten der Völker, andere tanzen
und schlagen die Hände, klatschen zum Rhythmus.
Man bringt mir eine Taginsa. Manfrid,
spiele, spiele deine Seele, sei einer von uns, zeige
dich. Alle schauen mich in tiefer Freude an. Ich kann
sehen wie sie sich freuen. Was denken sie? Lass alles
sein, Manfred. Denke nicht, sei einfach. Dann abrupt
hört alles auf. Keiner gab ein Zeichen denn alle
wissen wann.
Endlich deutsche Musik. Tau. Wasser in die Wüste.
Erfrischend, belebend, quirlend. Gitarren und wunderschöne
Frauenstimme. Herzbetörend. Für die Seele.
Der Rufe des letzten Jahres >no Ahwach - German Musik< erschallt
nicht. Alles ist gleich, auf selber Höhe. Seele
ist gegenwärtig. Rendezvous de la Musique.
Nun kommt klassischer Bauchtanz. Eleonore
versteht worum es dabei geht. In klassischem Kostüm,
bebenden Hüften, offen gegenüber den Betrachtern
tanzt sie den Tanz der Frau. Betörend zu ausgewählter
Musik. Ein wahrer Augenschmaus für die Sinne. Ich
denke daran was ich so alles in meinem Leben erleben
darf. Protagonisten sind die Bereicherung meiner Seele.
Eine Seminarteilnehmerin tanzt in Marokko vor oder für
die Berber. Schausteller stellen sich in ihre Mitte und
präsentieren sich. Hoffen auf Reflektionen. Zur
Schau stellen wird reflektiert. Ist der freie Bauchnabel
nicht zu viel für die Besucher? Wird der Anstand
gewahrt. Die Tradition? Die Gesichter im Umfeld zeigen
mir Freude. Verhalten zwar, doch sehe ich keinen Widerwillen.
Keine Abscheu. Ich empfinde die andere Kultur, lerne
ihre Empfindlichkeit kennen. Doch ist in allen Augen
Achtung zu erkennen. Das Ergebnis: morgen vor der Moschee
in der Stadt werden wir keinen Bauchtanz machen. Alle
sind einverstanden.
Melhoun. Das ist die islamische Musik
aus der Arbeiter/ Handwerkergilde. Ein Sänger rezitiert
Geschichten aus dem Koran, Oud, Violine und Tarabuka
spielen erst langsam, dann übernehmen sie die Vorherrschaft.
Dann wechselt es wieder in den Gesang der immer wieder
vorherrscht. Doch das ist nicht alles. Moderne Klänge
eines Pianos, unterstützt durch den Gesang, quirlige
Einlagen des Tarabukaspielers und virtuoses Violinenspiel
lassen das Tanzbein schwingen. Es ist ein vielfältiges
Geschehen. Klassik und Moderne vereinen sich.
Nun sind die jungen Musiker an der Reihe. Forum Aoutad.
Fünf Musiker. Moderne Klänge
werden mit traditionellen Rhythmen vermischt. Meine Kongas
erleben afrikanische Hände. Die Oud singt ihr klares
Lied, der Gesang ist vielstimmig. Traditionelle Weisen
verknüpfen sich mit westliche Rhythmen.
Das Filmteam aus der Filmschule aus Ouarzazate
hat ihre Kameras schon abgebaut als das Theatron ToKosmo
begann. Nach den ersten Klängen von Thomas Kagermann
und der Beginn des Tanzes, rannten sie umher um ihr Equipment
wieder aufzubauen. Was dort geschah war musikalisch und
visuell dermaßen voller Spannung. Die gemalten
Bilder von Katharina Otte-Varolgil, in Form einer computer-
gesteuerten Animation an eine Großleinwand projiziert,
dazu Eva-Maria in ein weißes Gewand gehüllt,
mit tänzerischer Leichtigkeit zu einer traumwandlerischen
Musik durch die Kulturen, versetzte den Riad in ein wahrhaft
neues Licht, welches an Spannung bis zum Ende nicht abnahm.
Gekreuzte Körper. Die Leidensgeschichte Jesus wurde
zum Tanz durch die verschiedene Religionen. Halleluja,
wie Thomas sagte.
Alles ist Ein - das Eine ist Alles.
Verschmelzung der Kulturen. Das ausgewogene
Spiel des Tanzes zu den Bildern, die fremdartige Musik,
Gesänge aus der Mongolei, gepaart mit dem Ruf des
Muhezin mischten sich mit spiritueller Weltmusik. Violinenkoräle
wechseln mit den Tanzeinlagen. Ich habe im Vorfeld mir
oft die Frage gestellt ob dieses Programm von den Berbern
verstanden wird. Da es sehr viel Wissen voraussetzt.
Eher intellektuell ist. Was ich erlebte war für
mich erstaunlich. Ich muß sagen das alles verstanden
wurde. Die Gebetsrituale der verschiedenen Religionen
die Eva-Maria tanzte. Ich hörte das Wort Respekt
um mich herum.
Ich sah Erstaunen in den Augen.
Zum Schluß des Abends wird der Song „Afrika“ gespielt.
Dieser wurde vorher eingespielt. Marokkanische Musiker
treffen auf die musikalische Jugend und deutschen Musiker.
Für mich wurde ein Traum war. Der Traum eines Rendezvous.
Der Begegnung. Er findet statt. Hier am Rande der Wüste.
Bei den Berbern, meinem geliebten Volk, denen ich so
vieles verdanke. Das Erhoffte tritt ein. Die Verschmelzung
der unterschiedlichen Kulturen über die Musik. Eine
Sprache die jeder versteht
Wie jeder sehen kann ist Sidi Ahmed voller
Freude und auch der Besuch scheint von dem Rendezvous
erheitert zu sein.
Samstag, 22.März in Agdz
Heute geht es in die Stadt. Auf den großen Platz
vor der Moschee. Alles wird routinemäßig aufgebaut.
Die Leinwand für die Projektionen wird unter halsbrecherischem
Einsatz von Maalem M`Barek gespannt. Wind kommt auf und
die Teppiche beginnen zu fliegen. Eben wie in 1000 und
1ner Nacht. Die Elektrik birgt Probleme, das abschalten
einzelner Lampen gelingt nur unter waghalsiger Kletterei über
eine Leiter. Das Filmteam setzt alles in grelles Licht
welches die Projektion die Farben nimmt und so wird gefeilt
an den Dingen bis jeder das hat was er braucht. Interviews
vor laufender Kamera, ein munteres Stelldichein der „Verantwortlichen“,
Ein Interview am Handy, life ins Studio
von Radio Casablanca unterstreichen das Medieninteresse.
Dies hat sich gesteigert seit dem letzten Jahr. Das Rendezvous
ist die erste internationale Veranstaltung in dieser
Region. Und es sollen circa 2500 Menschen erscheinen.
Auf dem Programm stehen die gleichen Gruppen wie gestern
nur wegen der kürzeren Zeit sollen die Auad- Musiker
nicht spielen. Doch erscheinen sie wie gewohnt mit einem
Lastwagen. Es muß umgestellt werden. Um acht Uhr
soll das Fest beginnen. Nach der Andacht in der Moschee.
Wir einigen uns darauf das sie vorher spielen. Zur Freude
des Publikums. Die Flöten verzaubern den Platz und
langsam füllt sich die Arena. Die vier Säbeltänzer
runden das Spektakel ab und es kommt wieder auf, wie
gestern im Arkadenhof
Was dann geschah lässt sich im nachhinein
nicht mehr genau recherchieren. Die Gruppe Tafilalet
soll um acht Uhr spielen. Sie waren ja auch schon da
gewesen, haben ihre Anlage aufgebaut. Doch nach dem Ruf
des Muhezin waren alle weg. Keiner wusste wo sie waren.
Das große suchen begann. Es stellte sich heraus
das sie gemeinsam in der Kasbah zum Essen waren. Die
Not macht erfinderisch. Unser Moderator Bubker begann
das Publikum auf das kommende vorzubereiten. Dies machte
er wirklich phantastisch. Er ist ein richtiger Philosoph.
Er hatte im Vorfeld die deutschen Musiker nach dem Sinn
und Ziel ihres Schaffens befragt und konnte dies sehr
genau dem Publikum wiedergeben. Doch die Zeit verging
nicht, die Musiker saßen in Ruhe beim Essen und
Bubker musste sich etwas einfallen lassen. Doch er bekam
Hilfe von Mustapha. Er ist Professor der Musik und ist
ein echter Kenner der regionalen Musikerszene. Er erzählte
lange und ausführlich, begrüßte geladene
Gäste und unterstützte Bubker die Zeit zu füllen.
Das Publikum fing an zu klatschen und wollte das es endlich
losging.
Die Besucher waren jetzt in bester Laune
und es begann zu brodeln
Um 9Uhr war es dann soweit. Melhoun Musik vom feinsten.
Diese Musik ist fast so wie bei uns die klassische Musik
mit Gesang. Ein Wechselspiel zwischen Sprechgesang und
Instrument. Wenn die Geige ertönt übernimmt
sie, ist extrem vorherrschend und durch die Elektronik
extrem verzerrt. Mal ist sie leise, zart und verwöhnend,
mal richtig durchdringend.
Alles schaut gespannt, sowie
unsere Ahwach- Kinder, die als nächste kommen sollten.
Das Programm sah vor, das die Kinder vor
den Alten spielen sollten. Dann sollten übergangslos
die Herren mit und dann ohne die Kinder spielen. Dies
funktionierte auch prächtig. Man spürt richtig
das Ahwach die Musik der Menschen hier ist. Alle können
mitsingen, mitklatschen und sich rhythmisch dazu bewegen.
Auch tanzt immer ein einzelner besonders
wild und erregt seinen Tanz dazu.
Dann kommt Tau-Musik. Das Programm wurde
auf Volksmusik umgestellt und die ersten Stücke
wurden mit Gitarre und Gesang gespielt. Die Entscheidung
trafen die Musiker deshalb, da die anderen ja auch ihre
Volksmusik vortrugen. Die Entscheidung war goldrichtig
und die Besucher sangen zum Teil mit. Was sich dann entwickelte
war das „Rendezvous“. Ohne vorherige Absprachen
nach Augenkontakt mit dem Tarabuka- Spieler Bediar Mhammad
ergriff dieser sein Instrument und spielte mit. Dann
setzte auch der Organist Jousufi die Tastatur in Gang
und schon war das geschehen was der Grund aller Dinge
ist, nämlich gemeinsam musizieren. Es wurde dann
auch richtig fetzig und Andrea Leonhardi verzaubert wieder
alle mit ihrer Stimme.
Jetzt wurde auch das Volk wach.
Übergangslos spielte Thomas Kagermann
mit seiner Frau Eva das Theater für die Welt. Das
Theatron ToKosmo begann mit ihrer Klang, Bild und Tanz-
Installation nachdem aus dem Publikum Eva-Eva-Eva rufe
kamen. Traumwandlerisch und von unglaublicher Dichte
tanzte sie zu dieser hinreißenden Musik. Die Freude über
den gelungenen Abend stand allen im Gesicht geschrieben.
Dann spielten Forum Aoutad pour la Culture
et L’art diesmal mit Gitarre und die anderen Musiker
gesellten sich hinzu und gemeinsam klang der Abend, es
wurde schon langsam morgen, aus
Auch war Sidi Ahmed Aid el Caid mit seinen
Besuchern sichtlich zufrieden mit der Veranstaltung
Manfred Fahnert 2008