Warum Rendezvous de la Musique?
In den letzten 18 Aufenthalten in
Südmarokko versetzte
mich immer „Eines“ in Erstaunen: Die Begeisterung
der Berber zu ihrer Musik.
Sie nennen es Ahwach.
Es war und ist bis heute für mich ein Phänomen.
Die Freude und tiefe Leidenschaft der Menschen wenn es
heißt: Morgen ist Ahwach. Das heißt nicht,
morgen ist bei Henry oder Dieter Musik, nein es heißt
morgen ist Ahwach. Es heißt also, entweder ist eine
Hochzeit, oder es ist das Beschneidungsfest der Jungen,
oder es sind Gäste da, oder Hassan und Hasna haben
ein Kind bekommen. Und um dieses zu Begrüßen
machen wir Ahwach. Das heißt auch: wir alle machen
Ahwach. Wirklich alle. Kinder und Eltern, Opa und Oma und
alle aus dem Dorf. Das ist Ahwach.
Ich begann langsam zu realisieren das es nichts mit dem
zu tun hatte was ich aus meiner Kultur kenne. Vielleicht
war es mal so, doch nicht in meiner Zeit.
Ich verstand langsam, das Ahwach eine Schule ist, eine
Schule in die jeder dort hinein muss, um etwas Bestimmtes
zu lernen.
Ich ging auf die Suche um heraus
zu finden was denn dort gelernt wird. Hinzu kam das ich
von meinen marokkanischen Freunden und meinem Lehmbaumeister
Maalem M`Bark von der ersten Stunde an aufgefordert wurde
den oder das Ahwach mitzumachen. Auch mein Papa Sidi
Achmed war immer voller Freude mir eine Taginsa in die
Hand zu geben und mich in den Kreis der Trommler zu setzen.
Und das ganze Dorf schaute mir zu, mit großen Augen, voller Ehrfurcht und Respekt
vor meiner Person. Maalem M`Bark feuerte mich mit seiner
Spiellaune zu immer tieferen Erlebnissen an. Ja er feuerte
mich in diesen Raum wo denken nicht mehr vorhanden war.
Wo letztendlich nur eins zählte: mit den dreißig
anderen Trommlern zur gleichen Zeit gemeinsam auf die Taginsa
zu schlagen.
Es war allen bekannt, dass ich gerne
die Trommel schlage. Unzählige Abend saßen
wir zusammen und es wurde gemeinsam gespielt. Mit den
Einheimischen und den Teilnehmern meiner Gruppen. Und
schnell musste ich feststellen dass alle unglaublich
taktsicher waren. Ob Sidi in seinem hohen Alter, oder
Motasim der eben zwei Jahre alt war, und wenn er irgendwo
eine Trommel sah, musste er darauf spielen. Es ging soweit,
dass wir Unterricht gaben um die Jungen anzuleiten.
Doch das war noch nicht Ahwach. Ahwach war etwas ganz besonderes.
Es kribbelte im Bauch. Es versetzt in Spannung. Es wurde
still um einen herum wenn man es hörte.
Wenn ich mich daran erinnere diese Musik aus der Ferne
gehört zu haben, überkam mich ein unglaublicher
Drang dorthin zu gehen, dabei zu sein und mitzumachen.
So erfuhr ich bei mir selbst, das man keinem, abschlagen
kann dabei zu sein. Ahwach ist nichts privates, keine geschlossene
Gesellschaft. Es ist der Ausdruck dessen was wir Gemeinsamkeit
nennen.
Dies erfuhr ich beim organisieren
des ersten Rendezvous de la Musique. Ich ging davon aus
das sich deutsche Musiker mit marokkanischen Musikern
im Riad der Kasbah ein munteres Stelldichein geben. Man
sagte mir, dass dies nicht gehe. Auf meine Frage warum?
bekam ich die Antwort: Weil dann alle kommen und der
Riad nicht groß genug sei. Und
wenn man das Eingangstor verschließe, würden
alle über die Mauer klettern. Ich musste sowieso davon
ausgehen das „Alle“ davon wussten. Denn
in dieser Region stand ein Ereignis voraus welches es in
dieser Form noch nicht gegeben hat. Dies wurde mir so langsam
klar vor Augen. Ich befinde mich am Rande der Zivilisation,
bei den Berbern, fernab meiner Kultur wo es ja üblich
ist aus allen Ländern Musiker und Künstler zu
sehen die weite Wege fahren um sich und ihre Kunst zu präsentieren.
Doch hier war es etwas anderes.
Dies alles schreibe ich um klar zu
stellen warum mir der Gedanke zum Rendezvous de la Musique
kam. Ich wollte meine deutschen Musikerfreunde daran
teilhaben lassen. Ich wollte dass sie etwas davon mitbekommen
von dem Ahwach/Miteinander der Berber. Auch wollte ich
den Berber dieser Region an der Musik teilhaben lassen
die bei mir in meinem Lande gespielt wird. Mein größter Wunsch doch bestand
darin, herauszubekommen ob die zwei verschiedenen Kulturen
etwas zusammen spielen können und vor allen Dingen
was dabei herauskommt. Deshalb wählte ich den Namen „Rendezvous
de la Musique“, Begegnung der Musique. Der alles
aussagt über das was ich mir Wünsche.
Dies veranlasste mich zum 10jährigen
Bestehen des www.lehmexpress.de dieses
Experiment zu starten. Und nach den Ereignissen der letzten
zwei Festivals bereue ich nur eines. Ich hätte früher
damit beginnen sollen. Dann wären wir heute weiter.
Weiter mit dem Miteinander Sein und Tun. Denn die Musik
verbindet auf eine ganz andere Art und Weise als Sprache
es jemals sein kann.